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Ferdinand Sauter:
Durchgefühlt und ausgesagt

Hg. von Ludwig Laher
Göttingen 2017


224 Seiten, 13 x 21 cm
Hardcover mit Schutzumschlag


€ 18.90 (D); € 19.50 (A)
ISBN: 978-3-8353-3104-4
Wallstein

Zum Buch:

Ein wacher Geist und unverwechselbarer, kompromissloser Mensch – das ist der österreichische Vormärzdichter Ferdinand Sauter. Zu Lebzeiten will er kein einziges Buch veröffentlichen, sogar Adalbert Stifter kann ihn nicht dazu überreden. Seine große Popularität im Wien des 19. Jahrhunderts verdankt er Flugschriften mit seinen Gedichten und der scheinbaren Omnipräsenz in vielen legendären Gastwirtschaften, wo ihm Leute aller Stände andächtig lauschen.
Im Jahr nach Sauters Tod erscheint 1855 die erste, allerdings zensurierte Auswahl seiner Texte, von der alle weiteren Herausgeber abschreiben. »Durchgefühlt und ausgesagt« ist somit die erste verlässliche Sauter-Edition, da Ludwig Laher bei seiner Auswahl die handschriftlichen Quellen herangezogen hat. Zum Teil bisher unbekannte oder grotesk entstellte Lyrik von erstaunlicher Aktualität tritt endlich, ausführlich kommentiert, vor ihr Publikum.

Herausgeber Ludwig Laher steuert außerdem einen großen Essay mit dem Titel 'Übertäubt' bei, der Ferdinand Sauters Leben und Schaffen in seine Umgebung und Zeit einbettet, aber auch Grundsätzliches zu rezeptions- und editionsgeschichtlichen Bedenklichkeiten anmerkt.

 

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Kritikerstimmen:

Ludwig Laher vermittelt in einem vorzüglich editierten Auswahlband die poetische und politische Dimension des Vormärzdichters Ferdinand Sauter. (...) Zudem rundet Laher den Band mit seinem großartigen reichhaltigen Essay ab, der Sauters Leben und Werk sowie wesentliche Kontexte, Entstehung und Bedeutung der Texte erläutert. Präzise weist er nach, wie schlampig, ja tendenziös mit den Schriften verfahren wurde. (...) Lahers Auswahl macht sowohl die unterschiedliche Qualität dieses Werkes deutlich, in dem Gelegenheitstexte neben der feinen Charakterreihe Verschiedene Leute stehen. als auch die politische Dimension. Etwa die aktuell anmutende Strophe in Was uns bleibt: "Was uns bleibt, wenn unsre Zeitgeschichte / Verstummen muß in allen Schriften, / So daß sie nimmer Unheil stiften, / Was uns bleibt? - Die Opernhausberichte." Oft kommt Sauter auf die gewichtige Forderung des Vormärz, die Freiheit. Anders jedoch als die meisten liberalen Stimmen der Zeit sieht er nicht die USA als Vorbild. Wie Nikolaus Lenau (Die drei Indianer), von dessen Besuch an seinem Krankenbett ein zentrales Gedicht in Sauters Schaffen zeugt, verweist er in Mein Sonntagsmorgen auf Verbrechen des Kolonialismus. Anhand des Langpoems betont Laher die Aktualität Sauters, der frühzeitig die Gefahren des Nationalismus, der Umweltzerstörung und des Kommerzes zu bedenken gab. Seinen Essay beginnt Laher mit einer Kritik der alten Zuschreibung, die österreichische Sprachkunst sei im Grunde unpolitisch.

(Klaus Zeyringer, Der Standard)

Einst erfreute er sich großer Beliebtheit, heute kennen ihn die wenigsten: Ferdinand Sauter, Zeitgenosse Adalbert Stifters und Nikolaus Lenaus. Seit vielen Jahren bemüht sich der österreichische Literat Ludwig Laher um Bekanntmachung dieses Autors aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. (...) Sauter war ein Kind seiner Zeit und zugleich dieser weit voraus. (...) Sauter war ein lustvoll lebender Zweifler, ein Sprachspieler, der stets für die Schwächeren einstand. Das unter anderem macht das Buch 'Durchgefühlt und ausgesagt' eindringlich deutlich.

(Katja Gasser, ORF, Zeit im Bild)

Der vielseitige Schriftsteller Ludwig Laher stellt mit seinem neuesten Buch seine wissenschaftliche Kompetenz als Germanist unter Beweis. (...) Der Stifter-Zeitgenosse Sauter, der vor allem als Lyriker wirkte, ist heute nur mehr einem kleinen Kreis von Literaturfreunden bekannt. Das liegt weniger an der Qualität von Sauters Dichtungen, sondern daran, dass bisher keine zuverlässige Werkausgabe vorlag und das verbreitete Sauter-Bild eher eine Anhäufung von Klischees war als eine Folge seriöser Forschung. Beide Mängel behebt Lahers Neuausgabe. Für seine Werkauswahl zog er die handschriftlichen Originale heran, und in einem ausführlichen Essay setzt er sich unter anderem mit der fragwürdigen Rezeptionsgeschichte auseinander.

(Christian Schacherreiter, Oberösterreichische Nachrichten)

Ludwig Laher hat nun ausgewählte Dichtungen Ferdinand Sauters ediert, nachdem er sich für den biografischen Roman "Aufgeklappt" mit dessen Leben und Werk auseinandergesetzt hatte. (...) Ihm geht es dabei um Würdigung im doppelten Sinn: zum einen das Bekanntmachen eines typisch österreichischen Literaten der Generation von Johann Nestroy, Nikolaus Lenau und Adalbert Stifter, zum anderen das Zurechtrücken jener "Irrtümer, Missverständnisse und Umdeutungen", deretwegen Biografen und Germanisten Ferdinand Sauter als verpfuschte Existenz, als verkommenen Dichter, Narr oder Sonderling hingestellt haben. (...) Dank dieser Direktheit vermittelt Sauter inniges Glück wie Vaterfreuden am "Kindlein in der Wiege" oder den Besuch Nikolaus Lenaus, als er trostlos in Hallstatt im Krankenbett lag. (...) Doch verhehlt er auch nicht, wenn er trauert, zürnt oder hadert - dass er keine Lebenspartnerin gefunden hat, über die politischen Umstände im Vormärz, über den ungeliebten Brotberuf. Ferdinand Sauter ist einer der wenigen Klarsichtigen, die sich eine Grabschrift verfasst haben - die seinige ist eines seiner bekanntesten Gedichte, mit klugen Zeilen wie: "Frag nicht nach der Zahl der Jahre, / kein Kalender ist die Bahre, / Und der Mensch im Leichentuch / Bleibt ein zugeklapptes Buch."

(Hedwig Kainberger, Salzburger Nachrichten)

Sauters scharfer Blick führt ihn zu sprachlichen Prägungen, die den großen Formulierungen der literarischen Zeitgeschichte nahe kommen. Wo Karl Marx anlässlich der Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie 1844 als revolutionären Weckruf das „Schmettern des gallischen Hahns“ erwartet, zeigen im Österreich der Backhendlzeit ganz andere Wappentiere ihre Krallen: „Was uns bleibt, wenn Hahnenruf erschollen/Und siegreich flattern Frankreichs Fahnen,/So daß uns faßt ein schmerzlich Mahnen,/Was uns bleibt? – Der Doppeladler Grollen.“ („Was uns bleibt“, 33) Traditionelle Formen wie die des Ständegedichts enthalten bei aller scheinbaren Traditionalität und ‚Objektivität‘ überraschende Volten, wie das Nachwort Lahers präzis herausarbeitet – den „Priester“ lässt Sauter seine Rolle im Vormärz in aller Ambivalenz bekennen: „Den Bau des Staats durch mächt’ge Säulen stützend,/Ward mir der Menschen Lieb und Haß zum Lohne.“ (41) (…). Den Proletariern“ empfiehlt Sauter zwar in liberaler Manier Geduld und Ruhe als ihre Bürgerpflichten, aber er tut das in Sprachbildern, die den Mäßigungsappell zu dementieren imstande sind: „Gleichheit ist euch eine Fabel,/Wißt, die Habsucht blieb sich gleich, /Kärrner ihr am Turme Babel,/Glaubt, ihr werdet nimmer reich“ (54). Bei Bertolt Brecht werden die urban poor seines Exillandes USA einmal als „Ihr Ausgegabelten aus den Sardinenbüchsen“ angesprochen werden („Städtische Landschaft“, 1943); ein Jahrhundert davor sind sie bei Sauter schon, radikaler gedacht, nicht Objekte, sondern Mittel, für die Esser die Löffel gewesen: „Mag der Mund euch gierig wässern/Nach den Bissen jener Zunft, /Löffel seid ihr nur den Essern,/und euch sättigt nicht Vernunft“ (54). Bündiger lassen sich Entfremdung und Instrumentalisierung von Arbeit kaum formulieren – außer vielleicht in jenem hier zum ersten Mal in einer Sauter-Ausgabe gedruckten ‚pornographischen‘ epigrammatischen Gstanzl, das in sensationeller Verknappung den Freier an seinem Status als Kunde irrewerden lässt und die Dialektik von Arbeit und Konsum vorwegnimmt – wer arbeitet und wer genießt eigentlich, wenn der Genuss die Form entfremdeter Arbeit annimmt („Und jetzt glaub ich schon bald/I bin selber die Hur“, 97)? Dass dem Rentier „die Menschheit/nur eine Zinspartei“ ist („Verbaut“, 61) und die von den Romantikern besungene Natur bloßes Hindernis zur Verwertung, gehört in einen Motivstrang, der frühes ökologisches Bewusstsein verrät (erst um 1870 wird Josef Schöffel den Wienerwald „retten“ können). „Es steht“ in einem Sauter-Gedicht „ein Baum auf öder Heide“, wie er bei Lenau stehen könnte, doch hier ist es „der letzte einer dichten Schar“, „[d]ie andern sanken unterm Beile/Der nimmersatten Industrie“ („Der letzte Baum“, 58). (…) Von den bisherigen Sauter-Ausgaben und Sauter-Vergegenwärtigungen unterscheidet sich die Intervention Ludwig Lahers gleich mehrfach. Seine Werkauswahl bringt nicht nur bisher Ungedrucktes, sie präsentiert erstmals durchwegs textkritisch durchgesehene Texte und geht neben den Erstdrucken auch vor allem auf die Varianten im Nachlassmaterial in der Handschriftenabteilung der Wienbibliothek – ein Schatzhaus weitgehend ungehobener Schätze der österreichischen Literatur – und im Bezirksmuseum Hernals zurück. Die Überlieferungslage ist dabei komplex. Sauters Lyrik wurde nach der Manier der Epoche verstreut in Taschenbüchern, Almanachen und auch als Einzelblätter gedruckt, eine Sammlung durch den Autor selbst kam nicht zustande. Handschriftlich überliefert sind Reinschriften einzelner Texte in verschiedenen Versionen, Konzepte, flüchtige Notaten. Laher macht hier sozusagen jeweils an Ort und Stelle Ordnung. (…) Das ausführliche, engagierte und breit kontextualisierende Nachwort – der Umfang der Paratexte hält sich mit dem präsentierten Textbestand etwa die Waage – führt den Revisionsprozess nun auf literatur- und zeitgeschichtlicher Ebene, anknüpfend an die seinerzeit bei Claudio Magris und Ulrich Greiner vertretene These vom angeblich vorherrschenden Eskapismus in der österreichischen Literatur. Man muss Ludwig Laher sehr dankbar sein, dass er damit in Erinnerung hält, welche hohen Einsätze sich einmal mit literaturgeschichtlichen Revisionen verbunden haben – es ging um nichts weniger als um die Rekonstruktion einer alternativen österreichischen Kultur- und Literaturgeschichte hinter den offiziellen Repräsentationen einer Kulturpolitik, die auf unheimliche Weise mit den Kritikern der österreichischen Tradition zu konspirieren schien.

(Werner Michler, Literatur und Kritik)

Laher nahm seine Sauter-Recherchen mit zu seinem deutschen Verlag und veröffentlichte nun eine Werkauswahl. Es gehört zu den Leistungen des Herausgebers, uns diesen brisanten Dichter in seiner kritischen Zeitgenossenschaft wieder oder erstmals nahezubringen. Sauter war den Außenseitern zugetan, er setzte seine Poesie gegen die Zeitläufte, gegen Ausbeutung, gegen die Vormärzzensur, gegen die Anfänge der Landschafts- und Umweltzerstörung. (...) Der genaue analytische Blick rundum ließ den Volksdichter zum Melancholiker werden, und mitunter eignet seinen Texten etwas Resignatives. (...) Die Edition nennt sich stolz 'erste quellenkritische Ausgabe', und tatsächlich erfährt der Leser im Kommentarteil zu jedem Text genaue editorische Details, die auf Lahers Einblick in den Nachlass beruhen.

(Wolfgang Straub, ORF, Ex libris)

Laher hat zahlreiche, teils bisher unbekannte Gedichte und ein kurzes Theaterstück des zu Lebzeiten äußerst populären Ferdinand Sauter gesammelt, herausgegeben und in einem umfangreichen Essay erhellend kommentiert. Er ging für dieses Buch zurück bis an die handschriftlichen Quellen, denn Sauter selbst wollte seine Werke zu Lebzeiten nicht in Buchform veröffentlichen. Eine 1855 posthum erschienene Auswahl seiner Texte – seither die Hauptquelle aller Nachdrucke – war von der Zensur des damaligen Polizeistaats gekürzt und verändert worden. (...) Der ungewöhnliche Zeitgenosse, der die Menschen liebte, verdankt seine große Popularität im Wien des "Vormärz" vor allem Flugschriften mit seinen Gedichten und seiner Omnipräsenz in vielen legendären Gastwirtschaften, wo ihm Leute aller Stände andächtig lauschten.

(Gerda Poschmann-Reichenau, Passauer Neue Presse)

Weil der österreichische Autor Ludwig Laher (...) zu Recht fand, dass Sauter bessere Nachrede verdient habe, hat er nun eine erste quellenkritische und kommentierte Auswahl von Sauters Dichtungen herausgegeben. In einem ausführlichen Essay geht er mit den bisherigen Herausgebern der Werke Sauters, von dem zu Lebzeiten ke8in einziges Buch erschien, zu Gericht. Doch nicht nur sie hätten den unkonventionellen und offenherzigen Dichter ganz nach der eigenen Agenda zurechtgezimmert oder ihn als Säufer und Vagabund denunziert, sogar Thomas Bernhard weist er nach, dass dieser seine wohlwollenden Worte in Unkenntnis von Sauters Schriften verfasst hat, ja einer gar grotesken Verwechslung mit einem namensgleichen Dorfschullehrer aufgesessen ist. Neben der Ungeschminktheit, mit der er [Sauter] seine eigene Misere ebenso wie die deplorablen sozialen Zustände beschrieb, besticht sein politischer Kampfgeist.

(Wolfgang Huber-Lang, APA)

Im ersten Teil komt die persönliche Erregung beim Erstkontakt mit Sauter zum Zuge, ein sogenanntes Stiasny-Bändchen aus den 1950er Jahren erweckt Neugierde. Im zweiten Schritt werden die bisherigen Herausgeber und Verstümmler zerlegt, indem man in ihren Biographien ablesen kann, welchen Nutzen sie jeweils aus der fahrlässigen Edition gezogen haben. Im dritten Schritt werden wesentliche Gedichte Sauters auf die Überlebenskraft in der Gegenwart ausgetestet. (...) Ludwig Laher erzählt mit dieser Edition ein Stück österreichischer Gegenwartsliteratur, die sich oft gegen die deutsche Vereinnahmung, meist aber gegen den hausgemachten Schwachsinn im Lande zur Wehr setzen muss.

(Helmuth Schönauer, biblio.at)

Nach seinem Roman "Aufgeklappt" von 2003 hat sich der Autor Ludwig Laher noch einmal auf die Spur des einzigartigen Vormärzdichters Ferdinand Sauter begeben. (...) Laher hat nun in mühevoller Kleinarbeit an verschiedenen Orten die erhaltenen Handschriften seines Kollegen gesichtet und viele wichtige Gedichte erstmals vollständig transkribiert. Es entstand mit "Durchgefühlt und ausgesagt" die erste quellenkritische Buchpublikation von Sauters Lyrik. "Ich sehe diese meine Herausgebertätigkeit als Hilfestellung für einen 214 Jahre alten hervorragenden Kollegen an, dem bisher übel mitgespielt wurde, ist doch nicht nur sein Werk, sondern auch sein Leben in wesentlichen Teilen anders verlaufen, als es gemeinhin dargestellt wird", betont Laher. Er ergänzte die ausgewählten Werke mit einem ausführlichen Anmerkungsteil und einem umfangreichen Essay, der Erhellendes rund um Sauter in grundsätzlichere Überlegungen einbettet.

(Tips Braunau)

Sauter brach mit 16 Jahren das Gymnasium ab und trat 1818 eine kaufmännische Lehre an. Bei seinem Vormund war er Kanzleischreiber, später arbeitete er als Gehilfe in einer Papierhandlung in Wien. Hier schuf sich Sauter einen großen Freundeskreis, zu dem auch der Komponist Franz Schubert zählte. Laut Laher wurde nicht nur ernsthaft gearbeitet, sondern auch "viel gelebt". (...) Ferdinand Sauter, "Ausnahmekünstler, Menschenfreund und eigenwilliger Poet", so Laher, war schließlich eines der ersten Opfer der im damaligen Wien wütenden Cholera. Er starb mit 50 Jahren, am 30. Oktober 1854 und hinterließ der Nachwelt einen reichen Schatz an Gedichten, aus dessen Fülle Laher nun einen kleinen Teil aus seinem Buch las - lebhaft, humorvoll, mal mit einem Augenzwinkern, mal mit einem Schuss Ironie, jeweils passend.

(lc, Südostbayerische Rundschau)

Das Verdienst der vorliegenden Auswahlausgabe (...) ist, dass der Herausgeber die Texte entgegen den korrumpierenden Überlieferung nach den Handschriften im originalen Wortlaut wiedergiobt. (...) Zeittypisch schenkte S. dem Leser Lebensfreude und Skepsis mit diesen an die österreichische Spätaufklärung anschließenden Dichtungen.

(Herbert Zeman, Germanistik)

In dem Buch werden zahlreiche, teils bisher unbekannte Gedichte und ein kurzes Theaterstück des zu Lebzeiten äußerst populären österreichischen Vormärzdichters Ferdinand Sauter in einem Essay erhellend kommentiert.

(Traunstein regio)